Lastenheft und Pflichtenheft
Es gibt zwei Dokumente, die bei der Planung und Durchführung eines IT-Projekts von unschätzbarem Wert sind - das Lastenheft und das Pflichtenheft. Sie bilden die Blaupause für das Projekt, indem sie die Kundenerwartungen (Lastenheft) und die technische Umsetzung (Pflichtenheft) detailliert beschreiben. Diese Dokumente stellen sicher, dass alle Beteiligten die gleiche Vision vom Endprodukt haben.
Agilität und Struktur vereint: Lasten- und Pflichtenhefte in der agilen Entwicklung
Die agile Entwicklung hat die Landschaft des Projektmanagements verändert, aber das heißt nicht, dass traditionelle Werkzeuge wie das Lastenheft und Pflichtenheft überflüssig geworden sind. Im agilen Umfeld fungieren sie als dynamische Nachschlagewerke, die stetig angepasst und aktualisiert werden. Jeder Sprint, jede Überarbeitung ist eine Gelegenheit, diese Dokumente zu prüfen und zu aktualisieren. So bleiben sie relevant und bilden eine konstante, anpassungsfähige Referenz für das gesamte Team.
Lastenheft
Das Lastenheft ist ein entscheidendes Dokument, das alle Anforderungen des Kunden an das Produkt zusammenfasst. Es definiert die Aufgaben und den Zweck ihrer Lösungen, indem es genau beschreibt, was gemacht werden soll und wofür. Im Kontext der agilen Entwicklung wird diese Rolle oft von User Stories übernommen. Diese dynamischen “Mini-Lastenhefte” entwickeln sich ständig weiter und passen sich den veränderten Bedingungen des Projekts an.
Mit dieser Übersicht über das Lastenheft sind wir nun bereit, seine einzelnen Abschnitte genauer zu betrachten. Jeder Abschnitt trägt auf seine eigene Art zur Gesamtstruktur bei und gibt uns ein umfassendes Bild vom Projekt.
Ausgangssituation
Die Ausgangssituation für das Projekt stellt die Initialzündung für die Projektidee dar. Es mag ein konkretes Problem aufgetreten sein, das eine Lösung erfordert. Vielleicht wurde mit ähnlichen Herausforderungen in der Vergangenheit auf bestimmte Weise umgegangen, doch diese Ansätze erwiesen sich als ineffizient oder nicht länger tragbar. Der Handlungsbedarf kann sich aus dem Wunsch nach verbesserten Abläufen, der Optimierung von Ressourcen oder der Umsetzung neuer Strategien ergeben. Jedes Projekt muss zudem in den Kontext einer langfristigen Strategie eingebettet sein, um den größtmöglichen Nutzen zu erzielen und sich nahtlos in bestehende oder geplante Aktivitäten einzufügen. In diesem Sinne beleuchtet die Ausgangssituation die Ursprünge des Projekts und legt den Grundstein für seine weitere Entwicklung.
Kontext und Stakeholder
Der Kontext und Stakeholder-Abschnitt des Lastenhefts bezieht sich auf das größere Umfeld, in dem das Projekt stattfindet, und die Personen oder Gruppen, die ein Interesse am Projekt oder seinen Ergebnissen haben. Es ist wichtig, den Kontext zu verstehen, um das Projekt im richtigen Licht zu sehen und es effektiv zu gestalten. Ebenso wichtig ist es, die Stakeholder zu identifizieren und zu verstehen, was sie vom Projekt erwarten. Stakeholder können Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Investoren oder andere sein, die direkt oder indirekt vom Projekt betroffen sind.
Zielsetzung
Die Zielsetzung ist eine klare Darstellung des gewünschten Endprodukts und dient als Maßstab für den Erfolg des Projekts. Sie definiert die Kriterien und Messverfahren zur Bewertung des Projekterfolgs. Sie legt auch die Voraussetzungen dar, die erfüllt sein müssen, um die Projektziele zu erreichen. Des Weiteren legt sie wichtige Termine und Meilensteine fest. In diesem Sinne ist die Zielsetzung das Herzstück der Projektplanung, das den Weg zum Erfolg weist.
Produkteinsatz
Der Produkteinsatz definiert, unter welchen Bedingungen das Endprodukt funktionieren soll und wer die Zielbenutzer sind. Zum Beispiel könnte ein neues Content-Management-System (CMS) in einer Umgebung mit hohem Datenaufkommen eingesetzt werden und primär von Redakteuren und Content-Produzenten genutzt werden.
Funktionale Anforderungen
Funktionale Anforderungen umfassen alle notwendigen Funktionen, die das Produkt bieten soll. Sie beschreiben, was das Produkt in der Lage sein sollte zu tun oder zu leisten. Zum Beispiel könnte eine E-Commerce-Website die Möglichkeit zur Produktsuche, den Warenkorb und den Checkout-Prozess als funktionale Anforderungen haben.
Nichtfunktionale Anforderungen
Die nichtfunktionalen Anforderungen definieren Attribute und Einschränkungen, die das System haben sollte. Sie könnten die Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit des Produkts betreffen, die Fähigkeit, Änderungen zu verwalten, die Erfüllung bestimmter Verfügbarkeitsanforderungen, auch unter Lastspitzen, und die Erwartungen an Wartungsintervalle. Auch die Zuverlässigkeit und Toleranz gegenüber Fehlern oder Ausfällen sind wichtige Aspekte. Darüber hinaus legen sie die Anforderungen an die Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit (a11y) fest.
Budget und Ressourcen
In diesem Abschnitt des Lastenhefts wird das Budget des Projekts und die dafür benötigten Ressourcen beschrieben. Das Budget sollte alle voraussichtlichen Kosten des Projekts enthalten, von Personal und Ausrüstung bis hin zu Materialien, Software und anderen Ausgaben. Die Ressourcen könnten alle Personen, Materialien, Ausrüstungen, Einrichtungen, Technologien und Dienstleistungen umfassen, die zur Durchführung des Projekts benötigt werden.
Lieferumfang
Der Lieferumfang legt fest, was das Produkt beinhaltet und in welcher Form es bereitgestellt wird. Es könnte Software, Handbücher, Schulungen und andere Elemente umfassen. Des Weiteren definiert er, welche Komponenten oder Leistungen von externen Anbietern geliefert werden.
Risikoanalyse
Dieser Abschnitt des Lastenhefts befasst sich mit der Identifizierung und Bewertung potenzieller Risiken, die das Projekt beeinträchtigen könnten. Die Risiken könnten technischer, finanzieller, betrieblicher oder anderer Art sein und könnten beispielsweise das Risiko von Verzögerungen, Kostenüberschreitungen, technischen Problemen oder anderen unvorhergesehenen Hindernissen umfassen. Jedes Risiko sollte bewertet und mögliche Strategien zur Risikominderung oder -vermeidung beschrieben werden.
Projektphasen und Meilensteine
Die Projektphasen und Meilensteine geben den Ablauf und das Tempo des Projekts vor. Sie definieren die Hauptabschnitte des Projekts und legen fest, welche konkreten (gemäß den SMART-Kriterien) Lieferergebnisse bei Erreichen der einzelnen Meilensteine erwartet werden.
Offene Punkte
Im Bereich Offene Punkte werden alle Unklarheiten oder Punkte aufgeführt, die weiterer Klärung bedürfen. Hierbei wird festgelegt, wer für die Klärung dieser Punkte zuständig ist und wie Entscheidungsprozesse im Projekt ablaufen. Auch die Prozeduren für Änderungen am Lastenheft werden hier definiert: Wer darf Änderungen einbringen, wer muss sie genehmigen und wer hat gegebenenfalls ein Vetorecht.
Abnahmekriterien und Qualitätsanforderungen
In diesem Abschnitt werden die Abnahmekriterien und Qualitätsanforderungen festgelegt. Sie dienen als Grundlage zur Beurteilung des Projektfortschritts und zur Entlastung der Projektleitung an den Meilensteinen und am Ende des Projekts. Sie legen außerdem fest, welche Anforderungen an die Qualität gestellt werden und welche Qualitätsmanagementsysteme und dazugehörigen Unterlagen relevant sind.
Pflichtenheft
Das Pflichtenheft ist ein detaillierter Plan zur Umsetzung des Projekts auf der Grundlage des Lastenhefts. Es legt fest, wie die Anforderungen des Auftraggebers erfüllt werden, indem es konkrete Lösungsansätze und Realisierungsanforderungen darlegt. Es dient als “Blaupause” für die Umsetzung des Projekts und beinhaltet alle spezifischen Details, wie und womit die Projektziele erreicht werden sollen. Das zugehörige Lastenheft ist im Anhang beigefügt.
Zielbestimmung
Die Zielbestimmung umfasst drei wesentliche Elemente: Musskriterien, Wunschkriterien und Abgrenzungskriterien. Musskriterien sind unverhandelbare Anforderungen, die unbedingt erfüllt werden müssen. Wunschkriterien sind wünschenswerte, aber nicht unbedingt notwendige Merkmale des Endprodukts. Die Abgrenzungskriterien legen explizit fest, was das Projekt nicht erreichen soll, um den Umfang des Projekts zu begrenzen und Fehlinterpretationen zu vermeiden.
Produkteinsatz
Im Produkteinsatzabschnitt wird der vorgesehene Anwendungsbereich des Produkts beschrieben. Des Weiteren werden die Betriebsbedingungen definiert, unter denen das Produkt performen soll. Zudem wird die Zielgruppe erläutert, die von dem Produkt profitieren soll, und die notwendigen Qualifikationen der Benutzergruppen, die das Produkt verwenden werden.
Produktübersicht
In der Produktübersicht wird ein Überblick über die wesentlichen Funktionen des Produkts gegeben. Es werden alle Kernfunktionen aufgeführt und erläutert, wie diese zusammenarbeiten, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Des Weiteren wird ein Verständnis der involvierten Geschäftsprozesse und der beteiligten Akteure geboten, um zu verdeutlichen, wie das Produkt in das größere Ökosystem des Unternehmens passt.
Produktfunktionen
Die Produktfunktionen sind eine konkrete und detaillierte Darstellung der Funktionen, die im Lastenheft aufgeführt sind. Jede Funktion wird genau beschrieben, wobei Querverweise auf die entsprechenden Abschnitte im Lastenheft verwendet werden, um die Herkunft jeder Funktion klar darzustellen. Zusätzlich wird dargelegt, welche Akteure an welchen Funktionen beteiligt sind, um eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten zu ermöglichen.
Produktdaten
Im Abschnitt Produktdaten wird eine ausführliche Darstellung der persistenten Daten, die im Produkt verwendet werden, gegeben. Diese Daten sind eine detaillierte Version der in der Benutzerübersicht aufgeführten Daten und werden beispielsweise in Form eines logischen Klassendiagramms präsentiert.
Produktleistungen
Produktleistungen befasst sich mit den spezifischen Leistungsanforderungen der einzelnen Funktionen und Daten, einschließlich der Anforderungen bezüglich Zeit, Genauigkeit und Mengen. Hier finden sich auch Hinweise und Anmerkungen zur Umsetzbarkeit dieser Anforderungen.
Qualitätsanforderungen
Die Anforderungen an die Benutzeroberfläche werden in diesem Abschnitt festgelegt. Dies umfasst das Layout, die Struktur der Dialoge zwischen System und Benutzer und die Zugriffsrechte, die eine wichtige Rolle in Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit spielen.
Benutzeroberfläche
In diesem Abschnitt werden die grundlegenden Anforderungen an das Layout, die Dialogstruktur und die Zugriffsrechte der Benutzeroberfläche des Produkts dargelegt. Diese Aspekte sind entscheidend für die Gestaltung einer intuitiven, effizienten und sicheren Benutzererfahrung.
Nichtfunktionale Anforderungen
Die nichtfunktionalen Anforderungen sind Merkmale, die das Gesamtsystem beeinflussen, aber nicht direkt mit den spezifischen Funktionen des Produkts zusammenhängen. Sie können Aspekte wie Systemleistung, Sicherheit, Skalierbarkeit, Compliance, Benutzerfreundlichkeit und andere Qualitätsattribute umfassen.
Technische Produktumgebung
Die technische Produktumgebung umfasst alle notwendigen Aspekte der Software, Hardware und Organisationsstruktur, die für die Verwendung und Integration des Produkts erforderlich sind. Dies schließt die Hardware-Anforderungen ein, die erforderliche Software und Betriebssysteme sowie die organisatorischen Aspekte, die für den Betrieb des Produkts relevant sind. Darüber hinaus beinhaltet dieser Abschnitt die Beschreibung der Produktschnittstellen für die Integration in die bestehende Infrastruktur.
Spezielle Anforderungen an die Entwicklungsumgebung
In diesem Abschnitt wird die Entwicklungsumgebung detailliert beschrieben, einschließlich spezifischer Anforderungen an Tools, Frameworks und Plattformen, die für die Entwicklung des Produkts erforderlich sind. Es können auch spezifische Versionen von Software und Bibliotheken angegeben werden, die für die Entwicklung und den Betrieb des Produkts benötigt werden.
Gliederung in Teilprodukte (Release-Planung)
Die Gliederung in Teilprodukte gibt eine Übersicht über die geplanten Produktversionen und die in diesen Versionen enthaltenen Funktionen. Sie beschreibt, welche Funktionen in welchem Release implementiert werden und liefert somit einen detaillierten Plan für die gesamte Produktentwicklung.
Ergänzungen
Der Bereich “Ergänzungen” enthält alle zusätzlichen Anmerkungen und Vorgaben des Auftraggebers. Dies könnte spezifische Präferenzen für Hersteller oder Dienstleister, relevante Normen und Vorschriften sowie Informationen zu relevanten Patenten und Lizenzen einschließen.
Testcases
Unter “Testfälle” werden die spezifischen Testfälle definiert, die für die Überprüfung der Funktionen, Eigenschaften und Qualitätsmerkmale des Produkts entwickelt werden. Dabei ist es wichtig, dass die Testfälle einen umfassenden Testbereich abdecken, ähnlich den End-to-End-Tests (E2E-Tests).